Wer ein sprachwissenschaftliches Fach studiert, sucht im Grundstudium häufig vergeblich nach Lehrangeboten zu digitalen Methoden und Tools (mehr dazu). Der Verein Junge Sprachwissenschaft e. V. hat deshalb in einer Umfrage die Vorkenntnisse, Bedürfnisse und Interessen der Studierenden abgefragt.

Der Aufruf zur Teilnahme an der Umfrage wurde auf den Social Media-Kanälen des Vereins und über Mailinglisten veröffentlicht. Bis zur Schließung der Umfrage Ende November 2019 hatten sich 154 Personen daran beteiligt. Erste Ergebnisse wurden bereits im Rahmen von Vereinssitzungen diskutiert; mit diesem Blogpost möchten wir die Ergebnisse Interessierten zugänglich machen.

Wir berücksichtigen für die Analyse ausschließlich die Antworten von Personen, die ein sprachwissenschaftliches Studium angegeben haben (N= 136).1 Die Teilnehmenden gaben Hochschulstandorte in ganz Deutschland und in Österreich an. Da wir einzelne Institute über ihre Mailinglisten kontaktiert hatten, variiert die Anzahl der Teilnehmenden pro Hochschule stark: Fast die Hälfte studiert an vier Universitäten, wohingegen die andere Hälfte sich auf 26 Hochschulen aufteilt, wie in Abbildung 1 deutlich wird.


Abbildung 1
Abb.1 Anzahl Teilnehmende pro Hochschule


Die Teilnehmenden konnten mehrere Studiengänge angeben. An der Umfrage haben vergleichsweise viele Lehramtsstudierende teilgenommen, die zumeist auch eine (moderne) Philologie studieren: 45% gaben Lehramt an, 35% moderne oder klassische Philologien. 31% gaben eine der verschiedenen Disziplinen der Linguistik an, und 6% Computerlinguistik (Abb. 2).


Abbildung 2
Abb.2 Teilnehmende nach Studiengängen


Die Hälfte der Teilnehmenden hat noch keinen Abschluss, 36% haben einen Bachelorabschluss, 14% einen Masterabschluss oder sind promoviert – nur eine Person gab an, bereits einen Doktortitel erlangt zu haben (vgl. Abb. 3).


Abbildung 3
Abb.3 Teilnehmende nach bisher erreichten Abschlüssen


Selbsteinschätzung: Methodenkenntnissen und Tools

Wir haben Kenntnis von verschiedenen Methoden und Tools2 abgefragt, unter anderem Korpora, Reaction Time, Eye Tracking, Datenmodellierung, Datenvisualisierung und statistische Methoden sowie Automatisierung durch NLP, Machine Learning und Programmierkenntnisse. Zusätzlich zu den abgefragten Methoden und Tools gaben Teilnehmende an, Kenntnisse in (teils sehr studiengangspezifischen) Tools/Methoden zu besitzen, unter anderem Keylogger, Programmiersprachen, Software für qualitative Analysen (MAXQDA), Korpuslinguistische Tools (AntConc) und Software für Typesetting/Textverarbeitung sowie Literaturverwaltung. Das verdeutlicht die Bandbreite der Methoden und Tools, die die Teilnehmenden für ihre Arbeit nutzen und die relevant für Studierende der verschiedenen sprachwissenschaftlichen Fächer sein können. Über alle Studienrichtungen hinweg gab ein Drittel an, die vorhandenen Kenntnisse gar nicht an der Uni erworben zu haben (vgl. Abb. 4).


Abbildung 3
Abb.4 Erwerb von Kenntnissen an den Hochschulen (Allgemein)


Im Vergleich zwischen den Studiengängen zeigt sich, dass nur Studierende der Computerlinguistik ihre Kenntnisse häufiger an der Uni erwerben (Abb. 5-8). Bei der Interpretation ist allerdings Vorsicht geboten, da insgesamt nur acht Studierende der Computerlinguistik an der Umfrage teilnahmen.


Abbildung 5
Abb.5 Erwerb von Kenntnissen an den Hochschulen nach Fachrichtungen



Abbildung 6
Abb.6 Erwerb von Kenntnissen an den Hochschulen nach Fachrichtungen



Abbildung 7
Abb.7 Erwerb von Kenntnissen an den Hochschulen nach Fachrichtungen



Abbildung 8
Abb.8 Erwerb von Kenntnissen an den Hochschulen nach Fachrichtungen


Insgesamt wollen 77% ihre Kenntnisse erweitern oder verbessern, 13% sind unentschlossen und 4% hatten kein Interesse daran.

Abbildung 9 zeigt die Methoden und Tools, an denen Teilnehmende „sehr interessiert“ waren (ab 15 Antworten). Als mögliche Anwendungsbereiche gaben die Teilnehmenden universitäre Kontexte, die Verwendung in der Freizeit oder auch im außeruniversitären Beruf an.


Abbildung 9
Abb.9 Interesse an Erweiterung oder Verbesserung der Kenntnisse


Bereitschaft zur Beteiligung an studentischer Organisation

Die Mehrheit – 71% der Teilnehmenden – würden bis zu 50 km reisen, um an einem studentischen Workshop teilzunehmen. Längere Distanzen von bis zu 100 km würden aber nur 15% in Kauf nehmen (vgl. Abb. 10).


Abbildung 10
Abb.10 Reisebereitschaft


Die Reisebereitschaft fällt somit eher gering aus. Allerdings können die meisten Formate auch vollständig online organisiert werden. Knapp ein Drittel hat Interesse, selbst an der Organisation eines Workshops mitzuwirken. 39% lehnten dies jedoch für sich ab, während ein weiteres Drittel unentschlossen war (vgl. Abb. 11). Das ist angesichts des eher niedrigen Kenntnisstands der Teilnehmenden nicht überraschend.


Abbildung 11
Abb.11 Interesse an Erweiterung oder Verbesserung der Kenntnisse


Fazit

Die Ergebnisse unserer Umfrage sind zwar nicht verallgemeinerbar (eine vergleichende Analyse der Lehre in den verschiedenen Bundesländern bzw. Ländern wäre spannend!).

Zusammenfassend lässt sich aber festhalten, dass bei den hier vertretenen Studienfächern und Studiengängen (Bachelor, Master, Doktorat) durchaus Bedarf an Lernangeboten für digitale Methoden und Tools besteht. Außerdem gibt es eine grundlegende Bereitschaft für die Beteiligung oder Teilnahme an studentisch organisierten Lernangeboten.

Der Verein Junge Sprachwissenschaft e. V. bietet Unterstützung für Studierende, die Interesse haben, sich an studentischen Initiativen wie Workshops zu digitale Methoden und Tools zu beteiligen.

Wer Workshops sucht, selbst einen Workshop vorschlagen oder planen möchte oder aber jemanden dabei unterstützen will, ist eingeladen, sich per E-Mail oder via Social Media beim Verein Junge Sprachwissenschaft e. V. zu melden.

Fußnoten

  1. Linguistische Disziplinen (Allgemeine, Historisch-vergleichende, Psycho-/Neurolinguistik, Sonstige), Philologien, entsprechende Lehrämter und Computerlinguistik (wir haben Computerlinguistik gesondert ausgewertet, da hier digitale Tools und Methoden Teil des Studiums sind). 

  2. Die abgefragten Methoden und Tools wurden nicht systematisch, sondern auf Grundlage der persönlichen Kenntnisse der Autor*innen der Umfrage (Farimah Karimi, Tobias Gretenkort) ausgewählt. Die Teilnehmenden hatten die Möglichkeit, weitere Kenntnisse und Interessen anzugeben.