Seit den 1980er Jahren gibt es einen Kreis von Studierenden der Sprachwissenschaft, der sich immer wieder erneuert und mittlerweile 66 mal (!) die StuTS organisiert hat. Die Studentische Tagung Sprachwissenschaft findet zweimal pro Jahr statt und bringt jedes Mal 100 bis 200 Studis an einem Ort zusammen. Ungefähr 85 Prozent davon kamen zuletzt von Unis aus Deutschland. Die CoVid-19 Pandemie führt im Sommersemester 2020 zum ersten Mal seit 1986 dazu, dass die StuTS nicht wie gewohnt stattfinden kann. Eigentlich war eine ganz normale 67. StuTS an der Universität Bayreuth geplant. Mit Gruppenunterkunft, geselligen Pausen und einem aufmerksamen Publikum bei Vorträgen in Seminarräumen. Weil all das in diesem Semester nicht möglich sein wird, hat das Bayreuther Organisationsteam beschlossen, die StuTS als Online-Tagung stattfinden zu lassen.1
Der Verein Junge Sprachwissenschaft e. V. ist aus der StuTS-Community hervorgegangen, unter anderem mit dem Ziel, die regelmäßig wechselnden Organisationsteams der StuTS mit Infrastruktur und langfristiger Sammlung von Know-how zu unterstützen. Bei der ersten Online-StuTS werden einige technischen Brocken zu stemmen sein, die bisher nicht angefallen sind. Um diese Technik wird sich der Verein kümmern.
Der Verein arbeitet prinzipiell das ganze Jahr, ist aber regional in alle Himmelsrichtungen verteilt und daher die Online-Zusammenarbeit gewohnt. Ein wichtiger Teil dessen, was der Verein anbietet, ist dementsprechend schon immer der Online-Workspace (und was man daraus machen kann). In Zeiten der Pandemie ist eine Sache für viele Menschen sehr wichtig geworden, die vorher oft eine eher untergeordnete Rolle gespielt hat: Online-Videochats. Unseren Workspace haben wir deshalb um diesen neuen Bestandteil erweitert.
Das Technikteam des Vereins hat ein Videochat-Tool (Jitsi) in den Online-Workspace aufgenommen. Der gesamte Workspace wird gemäß unseren ethischen Überzeugungen auf vereinseigenen Servern betrieben. Die aktuelle Pandemie unterstreicht noch einmal die Wichtigkeit dieser Datenschutz-Ethik, denn die weltweit veränderten Gewohnheiten führen dazu, dass viel mehr Videochat-Daten anfallen als vorher. Noch dazu werden viele der Videochats wegen des ungeplanten Daheimseins in Privaträumen und nicht etwa in Büros geführt. Vor diesem Hintergrund möchten wir uns einer Kernaussage des Informatikers Kuketz (2020) anschließen: „Wer Respekt vor den Daten des anderen hat, der respektiert auch die Person“.
Das Videochat-Tool kann auf Anfrage2 von Vereinsmitgliedern und anderen linguistischen und/oder studentischen Gruppen genutzt werden. Zum Einsatz gekommen ist es schon für einen linguistischen Filmabend (siehe Blog-Artikel darüber, Gretenkort 2020), einen phonetischen Stammtisch und den Berliner Klesekreis.
Ein kleiner Hinweis zum finanziellen Hintergrund, für Gruppen oder Einzelne, die auch eine eigene Jitsi-Instanz erwägen: Wir haben uns entschieden, unsere Jitsi-Instanz auf vServern vom Rechenzentrenbetreiber Hetzner zu betreiben. Dort haben wir die kleinste vServer-Variante angemietet (1 virtuelle CPU) und skalieren diese bei Bedarf hoch auf 4 bis 8 virtuelle CPUs. Damit kann der Server Gruppengrößen von ca. 10 Leuten problemlos stemmen. Noch größere Zahlen haben wir bisher noch nicht getestet. Die Fixkosten liegen damit bei ca. 35 Euro pro Jahr und die tatsächlichen Kosten kalkulieren wir, je nach Häufigkeit der Verwendung, mit 45 bis 50 Euro pro Jahr. Diese Größenordnung von Ausgaben dürfte für viele Gruppen unterschiedlichster Couleur machbar und interessant sein. Eine Jitsi-Installationsanleitung, die nur Grundkenntnisse in der Serveradministration voraussetzt, bietet zum Beispiel die IT-Nachrichtenseite Golem (Böck, 2020).
Bei einer Online-StuTS sind größere Gruppen zu erwarten. Daher haben wir schon begonnen, zusätzliche Infrastruktur-Server dafür zu mieten. Auch auf der Tool-Seite werden wir es nicht bei Jitsi belassen, sondern zusätzlich auf BigBlueButton setzen. BigBlueButton ist, wie auch Jitsi, freie Software. Mit seinen Features erfüllt es die Anforderungen einer Präsentationssituation zufriedenstellend.
So bietet BigBlueButton neben der Möglichkeit zum reinen Bildschirm Teilen, die auch in Jitsi verfügbar ist, zusätzlich die Möglichkeit, Videos mit Ton zu teilen und Präsentationen aus Powerpoint, Impress oder PDFs im Präsentationsmodus darzustellen. Daneben gibt es Moderationsfeatures und Chatfunktionen, die die Koordination der Gruppe vereinfachen und gleichzeitig zum Schutz vor ungewollten Übergriffen von Dritten genutzt werden können.
Die Präsentation kann spontan in ein Whiteboard verwandelt werden, auf dem nur der*die Präsentator*in oder sogar die ganze Gruppe spontan schreiben, zeichnen und interagieren kann. Zudem gibt es die Möglichkeit, die Teilnehmer*innen in Breakout-Rooms aufzuteilen. Diese Option ist besonders für Workshops oder interaktive Elemente spannend, bei denen Kleingruppen zum Beispiel Beiträge für die größere Gruppe vorbereiten sollen. Zuletzt liefert BigBlueButton noch Funktionen für Barrierefreiheit, die hilfreich sind, um eine breitere Zielgruppe anzusprechen, für die eine primär audio-basierte Interaktion schwierig oder unzugänglich ist. Es gibt hier die Möglicheit, eine*n Dolmetscher*in festzulegen, der*die dann stets sichtbar bleibt, sowie die Möglichkeit, Live-Captions einzuspeisen, die durch eine*n Textdolmetscher*in produziert werden.
Wir freuen uns, diese neuen Herausforderungen anzugehen und das Bayreuther Organisationsteam bestmöglich zu unterstützen. Alle Neuigkeiten zu Möglichkeiten des Workspace und natürlich zur StuTS „in Bayreuth“ gibt es auf den Webseiten und in den Social-Media-Kanälen. Ein Linguistic Distancing wird hoffentlich nicht vorkommen.
Referenzen
Böck, Hanno. 2020. Videokonferenzen auf eigenen Servern mit Jitsi Meet. https://www.golem.de/news/homeoffice-videokonferenzen-auf-eigenen-servern-mit-jitsi-meet-2003-147239.html (zuletzt geprüft am 14. April 2020).
Gretenkort, Tobias. 2020. Filmabend 4.0. https://blog.junge-sprachwissenschaft.de/2020/04/17/Filmabend.html.
Kuketz, Mike. 2020. Kommentar: Rechtssicherer Betrieb und der Datenschutz. https://www.kuketz-blog.de/kommentar-rechtssicherer-betrieb-und-der-datenschutz/ (zuletzt geprüft am 13. April 2020).
Fußnoten
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Andere wissenschaftliche Konferenzen gehen vergleichbare Wege, zum Beispiel die GLOW 43, die AMLaP 2020, die IMPRS 2020 und die 33. CUNY. ↩
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Per formloser E-Mail an den Vereinsvorstand: vorstand [at] junge-sprachwissenschaft [dot] de ↩