Es ist schön, wenn ungewohnte Zeiten Maßnahmen hervorbringen, die wir auch im Normalbetrieb gut brauchen können. Und als überregionaler Verein sind wir für alles dankbar, was uns ein Stückchen näher zusammen rücken lässt. Klar, dass die derzeitige Flut an Home-Office-Tools uns da zu Gute kommt. Virtuelles Arbeiten waren wir aber längst gewohnt – wirklich neu war erst das virtuelle Zusammensitzen und Filme schauen.
Es hatte im Verein Junge Sprachwissenschaft e. V. schon seit Längerem die Idee gegeben, Filme mit – im weitesten Sinne – sprachwissenschaftlichem Inhalt gemeinsam zu schauen. Und, als wäre das noch nicht spezifisch genug, danach noch eine Diskussionsrunde darüber zu starten. Nur den richtigen Anlass hatte es nie gegeben; und es fehlte auch die Überzeugung, dass der Plan aufgehen könnte. Jetzt war es also so weit. Alle saßen zu Hause, alle mit genügend Zeit, alle mit passabler Internetverbindung, alle mit Lust auf Filmabend.
Der Film stand fest: Arrival. Linguistic Relativity à la Sapir-Whorf und ein kleiner Haufen Sprachwissenschaftler*innen mit unterschiedlichem Studienhintergrund. Das konnte nur gut werden. Nur, wie sollte das Ganze technisch gelöst werden? Das Internet stellt einige Möglichkeiten hierfür bereit. Uns hat Watch2Gether geholfen (wir haben aber keinen Werbe-Deal mit diesem Anbieter, also könnt ihr in diesem Blogartikel noch einige Alternativen nachlesen).
Das Prinzip ist technisch simpel: Einen virtuellen Raum hosten, und lokale – autorisierte (!) – Kopie des Films für die Mitsehenden zur Verfügung stellen. Jede*r benötigt ein Wiedergabegerät und eine Kombination aus Mikrofon und Kopfhörer, um am Gespräch teilzunehmen, ohne die eigenen Filmgeräusche für alle Anwesenden rückzukoppeln. Kameras sind optional, aber machen die Gegenwart der Anderen deutlich unmittelbarer. Allerdings setzen sie auch eine sehr gute Internetverbindung voraus.
Ein paar Gedanken um Urheberrechtsfragen sollte man sich vorher noch machen. Man muss auf jeden Fall sicherstellen, dass man den Film auf legalem Wege und in der entsprechenden Lizenz besorgt. Filme mit Privatlizenz dürfen auch nur im Freundeskreis angesehen werden. Daher sind öffentliche Einladungen ohnehin Tabu. Aber gegen einen Filmabend mit Freunden spricht nichts.
Also: Personenkreis dahingehend eingrenzen, Einladungslink verschicken, warten bis alle da sind und den Film beginnen – Mikro stumm schalten nicht vergessen. Ein winziges Problem gab es bei der Koordination. Den Film haben alle Teilnehmer*innen mit plus minus 90 Sekunden beendet. Offenbar konnte die Hostpartei nicht einfach den Film für alle starten und unterbrechen (bei einem vorangegangenen Kurzfilm hatte das noch geklappt).
Was danach im virtuellen Raum passierte, war fast unglaublich. Nach 117 Minuten Bildschirm konnte man fast vergessen, dass man alleine im Wohnzimmer saß. Die Diskussion ging ohne große Umschweife los, Lebenspartner*innen grüßten im Vorbeigehen in die Mikros und trotz acht oder neun Teilnehmer*innen kam man sich beim Gespräch kaum in die Quere. Die gelegentlichen „Nee-red-du-zu-erst“ und „Kann-ich-da-kurz-zwischen-reden“ werden mit zunehmender Gewöhnung an diese Art zu sprechen weniger und die entsprechenden Strategien entwickelt man schnell, zumindest wenn nur einige wenige anwesend sind.
Zum Schluss ging die Diskussion dann nochmal so lang wie der Film. Am Ende hat das Format mehr als überzeugt: Immerhin wurde der zweite Termin für gerade mal zwei Wochen später angesetzt und wir freuen uns darauf, in der nächsten Zeit mehr Frei- und weniger Arbeitszeit virtuell miteinander zu verbringen – trotz der Distanz.