Martin Konvička lehrt am Institut für Englische Philologie an der Freien Universität Berlin.

Zweites Corona-Semester

Das Wintersemester 2020/2021 fand am Institut für Englische Philologie der Freien Universität Berlin wieder als ein rein digitales Semester statt. Die Hoffnung, dass wir trotz einer andauernden Pandemie ein Stück Normalität durch einen eingeschränkten Präsenzbetrieb haben könnten, musste schließlich kurz vor Semesterbeginn aufgegeben werden. Andererseits waren wir auf das zweite digitale Semester deutlich besser vorbereitet als auf das erste. Insbesondere dadurch, dass wir im Sommersemester 2020 bereits gelernt haben, was gut und was weniger gut funktioniert.

In diesem Semester habe ich das Seminar Introduction to linguistics unterrichtet, das zusammen mit der begleitenden Vorlesung das linguistische Einführungsmodul in der Anglistik bildet und von 50 BA-Studierenden belegt wurde. Inhaltlich haben wir in diesen 14 Wochen die grundlegenden Themen der Sprachwissenschaft besprochen: Sprache und Schrift (1 Woche), Phonetik (1 Woche), Phonologie (1 Wochen), Morphologie (2 Wochen), Syntax (2 Wochen), Semantik (2 Wochen), Pragmatik (1 Woche) und Textlinguistik (1 Woche).

Zusätzlich gibt es in diesen Einführungsseminaren auch immer eine Extra-Sitzung, die sich je nach Forschungsschwerpunkt der*des Lehrenden unterscheidet. In meinem Fall war es ein Exkurs zum Thema Sprachwandel. Da wir das Einführungsmodul in einem Team von sechs Personen organisiert haben, wurden in den anderen, parallel stattfindenden Seminaren entsprechend unterschiedliche Themen in der Extra-Sitzung präsentiert. Die Vorteile der digitalen Lehre nutzend haben wir die Woche mit den Sitzungen, die sich thematisch unterschieden, als eine Art Tagung organisiert. So konnten die Studierenden frei wählen, an welchem Vortrag sie teilnehmen und auch gleich die anderen Lehrpersonen näher kennenlernen. Wer mochte, konnte so natürlich auch einen noch breiteren Einblick ins Feld der Linguistik erlangen und an mehreren Vorträgen teilnehmen.

Die Live-Sitzungen fanden, ebenso wie im letzten Semester, über Cisco Webex Meetings statt. Darüber hinaus wurde das ganze Modul mit einem FU-Blog ergänzt, auf dem alles Wichtige kommuniziert wurde. Daneben haben wir auch einen begleitenden Instagram-Account gehabt, der als ein Versuch verstanden wurde, den Seminarteilnehmenden den geschlossenen Uni-Campus ein bisschen näherzubringen und einige der Seminarinhalte auf einer unterhaltsameren Art und Weise zu präsentieren.

Der Instagram-Account war bei den Studierenden auf jeden Fall sehr beliebt. Ob er aber auch tatsächlich hilfreich war, ist eine andere Sache. Manchmal ist es nämlich schwierig zu unterscheiden, wo die hilfreichen E-Teaching-Tools aufhören und der pure Spaß-Effekt anfängt. Einen TikTok-Account haben wir jedenfalls abgelehnt…

Methoden

Im letzten Semester hat sich auf jeden Fall die Inverted-Classroom-Methode bewährt, die wir ganz im Sinne des Mottos „Never change a winning team“ auch im Wintersemester angewendet haben. Den Studierenden wurden dementsprechend vor jeder Live-Sitzung ein Text und ein erklärendes Video gemeinsam mit Hausaufgaben bereitgestellt, wobei diese Aufgaben nur mithilfe der Informationen Video und Text beantwortet werden konnten. Soweit alles beim Alten.

Die Hausaufgaben und ihre Besprechung stellten aber nicht nur einen wichtigen Teil der Live-Sitzungen dar, sondern waren auch eine Vorbereitung auf die Klausurfragen. Und hier sind wir schon bei der größten Innovation im Wintersemester: die Art der Klausur. Würden wir uns nicht mitten in einer Pandemie befinden, hätten die Studierenden am Ende des Semesters eine gemeinsame Klausur geschrieben. – Alle Teilnehmenden, aus allen parallel stattfindenden Einführungskursen, in einem großen Hörsaal zusammen. Als Ersatz standen uns grundsätzlich drei Option zur Auswahl:

  • Wir hätten an einer physischen Klausur festhalten und die dann in kleinen Gruppen unter Einhaltung aller Regeln durchführen können.
  • Wir hätten an dem Klausur-Format festhalten können, aber nicht an der Präsenzform. Stattdessen hätten die Studierenden die Klausuren zu Hause geschrieben und wir hätten sie per Kamera kontrolliert.

Beide Alternativen haben wir aus verschiedenen Gründen letztendlich abgelehnt. Nicht zuletzt deswegen, weil die Freie Universität Berlin diese Art von Videoaufsicht derzeit – zu Recht – nicht zulässt. Am Ende haben wir uns daher entschieden für:

  • Keine herkömmliche Klausur schreiben lassen, sondern eine Serie semesterbegleitender Tests bereitstellen.

Jeden Freitag um 12:00 wurde so für die Studierenden ein Test freigeschaltet, den sie bis Montag 14:00 beantworten mussten. Die Zeitpunkte wurden so gewählt, dass der Test erst dann veröffentlicht wurde, als das Einführungsseminar für alle Studierenden stattgefunden hatte. Gleichzeitig mussten die Studierenden den Test bearbeitet haben, bevor montags die Vorlesung anfing. Als Plattform für die Tests haben wir Blackboard benutzt – die Lernplattform, die an der Freien Universität Berlin seit Jahren benutzt wird. Obwohl diese Plattform bei vielen nicht besonders beliebt ist, konnten wir mit ihr eigentlich alles umsetzen, was wir uns vorgenommen hatten. Ein wesentlicher Vorteil ist auf jeden Fall die Tatsache, dass durch die Verwendung dieser Plattform alle Studierenden genau identifiziert werden konnten, da die Accounts durch die Universität verteilt werden und die Teilnehmenden nach Einschreibung ins Seminar automatisch im Blackboard-Kurs hinzugefügt werden.

Was die Form angeht, haben wir die Tests im Laufe des Semesters leicht variiert. Manchmal handelte es sich um Textantworten, manchmal gab es eine Multiple-Choice-Aufgabe und mitunter boten wir Fill-In-The-Gap-Übungen an. Bei den zwei letzten Formaten ist es sehr praktisch, dass sie von der Plattform automatisch ausgewertet werden können, was viel Zeit erspart, insbesondere, wenn ansonsten jede Woche hunderte Tests durchgesehen werden müssten. Ein kompletter Verzicht auf Textaufgaben ist jedoch nicht sinnvoll. Insbesondere deshalb nicht, da wir uns immer bemüht haben, die Tests nicht als bloßes Abfragen von enzyklopädischem Wissen zu gestalten, sondern sie anwendungsorientiert auszurichten. So haben wir im Phonetik- und Phonologie-Block beispielsweise nicht nach einer Definition von Minimalpaaren gefragt, sondern haben eine Serie von Wörtern aus dem Walisischen mit IPA-Transkription angegeben und gefragt, ob zwei in diesen Wörtern vorkommende Laute Allophone oder Phoneme sind. Im Textlinguistik-Test mussten die Studierenden wiederum drei Postkarten analysieren, um Beispiele von Kohärenz- und Kohäsionsmitteln zu identifizieren.

Evaluation

Wie im Sommersemester 2020 habe ich mich dazu entschlossen, neben der offiziellen Evaluation am Ende der Vorlesungszeit, nach jeder Live-Sitzung eine zusätzliche Gelegenheit anzubieten, das Seminar durch ein anonymes Formular zu bewerten. Diese Evaluationsmöglichkeit war natürlich nicht verpflichtend, wurde aber als eine Art Notbremse für den Fall konzipiert, dass sich der Kurs zu sehr zur Unzufriedenheit der Teilnehmenden entwickeln sollte. Letztendlich kam aber glücklicherweise vor allem bestätigendes Feedback, sodass Bremsen gar nicht nötig waren.

Sowohl in diesen Evaluationen als auch in mündlichen Gesprächen wurden die wöchentlichen Tests als sehr positiv bewertet. Einige Studierende fanden, dass der wöchentliche Rhythmus die Gelegenheit bietet, die eigenen Kenntnisse jede Woche neu unter Beweis zu stellen. Das bedeute außerdem weniger Stress als bei einer einzigen großen Klausur, von der der Erfolg des ganzen Semesters abhängt. Andere haben auch angemerkt, dass die Regelmäßigkeit der Tests für eine feste Struktur gesorgt hat, die viele in ihrem Lockdown-Alltag grundsätzlich vermissen. Darüber hinaus haben einige Seminarteilnehmende auch angegeben, dass sie sich durch die wöchentlichen Tests die Inhalte besser einprägen können, als wenn es nur eine Abschlussklausur am Ende gäbe.

Es waren aber nicht alle gleichermaßen von der Prüfungsmethode begeistert. So wurde beispielsweise kritisiert, dass zwischen dem Seminar und dem Test nur wenig Zeit lag. Vor allem für die Studierenden, die neben ihrem Studium auch noch arbeiten müssen, waren die wöchentlichen Tests manchmal sehr fordernd.

Für mich als Lehrperson hat dieses Testformat auf der einen Seite mehr Arbeit im Laufe des Semesters bedeutet. Auf der anderen Seite brauchte ich aber weniger Zeit für die Organisation und für das Korrigieren einer großen Klausur am Ende des Semesters. Ob ich in diesem Fall ein Nullsummenspiel spiele, weiß ich aber leider nicht.

Wenn ich in der Zukunft wieder die Gelegenheit haben sollte, dieses Testformat zu verwenden, wäre es vielleicht nicht verkehrt, die folgenden zwei Änderungen vorzunehmen: Erstens, was die Form angeht, könnte man den Test-Takt etwas verringern, sodass nicht jede Woche, sondern beispielsweise alle zwei Wochen getestet wird. Man könnte so den durch das zu häufige Testen erzeugten Stress reduzieren. Zweitens, was den Inhalt angeht, sollte man versuchen, die Inhalte der ersten Wochen auch in die Testfragen später im Semester einfließen zu lassen. So würde man die Inhalte aus der Phonetik und Phonologie nicht nach der dritten Woche verlassen, sondern könnte das Festigen des Basiswissens dadurch fördern, dass parallel zu Fragen zur Semantik auch welche zur Phonetik gestellt werden. Eine konkrete Konzeption dessen wäre an dieser Stelle aber noch offen.

Fazit

Im Vergleich zum ersten digitalen Semester habe ich den Eindruck, dass digitale Lehre und digitales Lernen für viele schon zur neuen Normalität geworden sind. Für die Studierenden aus meinem Einführungsseminar ist es auf jeden Fall so. Da das kommende Sommersemester an der Freien Universität Berlin auch rein digital sein wird, werden sie mindestens ein Drittel ihres BA-Studiums online absolviert haben. Daher denke ich, dass wir über E-Teaching nicht mehr nur als eine schöne Abwechslung im „normalen“ Uni-Alltag oder eine aufgezwungene Not-Lösung, sondern als einen wichtigen Bestandteil der Lehre sprechen sollten. Auch nach der Pandemie.