Seit elf Wochen ist die Freie Universität Berlin wegen Covid-19-Pandemie geschlossen. Seit sechs Wochen werden alle Lehrveranstaltungen nur digital durchgeführt. Die Umstellung der Präsenz- auf unterschiedliche digitale Formate verlief dabei, zumindest bei mir, relativ gut, obwohl teilweise, vor allem in den ersten Wochen, auch chaotisch. Die Informationen darüber, wie genau und auf welchen Plattformen digital unterrichtet werden soll, fehlten oder kamen spät an. Daher war die Digitalisierung der Lehre auch mit Unsicherheit verbunden.
In der Anfangsphase der Corona-Krise haben beispielsweise Viele angefangen, sich auf Online-Sitzungen mit Zoom oder anderen Programmen vorzubereiten. Am Anfang schien es so, wenigstens auf den sozialen Medien konnte man leicht den Eindruck bekommen, dass Zoom die beste Lösung für digitale Lehre sei. Einige haben sich sogar schnell einen privaten Pro-Account angelegt. Erst später wurde uns aber mitgeteilt, dass wir Zoom aus Sicherheitsgründen für universitäre Veranstaltungen nicht benutzen dürfen. Stattdessen hat für uns die Universität eine Webex-Lizenz gekauft. Und so hat das kreativste aller Semester angefangen.
Ich unterrichte aktuell ein BA-Seminar zur englischen Sprachgeschichte am Institut für Englische Philologie. Wir fokussieren uns darauf, wie das synthetische Altenglisch nach und nach immer analytischer wird. Insgesamt nehmen achtundzwanzig Studierende teil. Begleitend wird eine Vorlesung in Form eines Podcast bzw. Screencast angeboten.
Das Seminar hat einen synchronen und einen asynchronen Teil. Für jede Woche stelle ich den Studierenden einen Sekundärtext, ein YouTube-Video und ein Handout zur Verfügung. Auf dem Handout ist meistens ein Primärtext und begleitend ein paar Fragen. Mithilfe des Videos und des Sekundärtexts sollen die Studierenden diese Fragen beantworten. Nach einer Woche treffen wir uns alle im Rahmen einer Webex-Sitzung und der synchrone Teil der Lehrveranstaltung beginnt. Ungefähr 20 Minuten besprechen wir mit allen Teilnehmenden den Primärtext und die Antworten auf die Fragen. Diese Sitzungen werden aufgenommen und das Video stelle ich später allen Studierenden zur Verfügung.
Wenn die Online-Sitzung vorbei ist, bekommen alle von mir noch eine E-Mail. Dort finden sie eine Zusammenfassung der Aufgaben für die nächste Woche und dann auch einen Link zu einem anonymen Google Formular. In dieser Form bekommen die Studierenden von mir jede Woche fünf inhaltliche Fragen. Einerseits sehen so die Studierenden selbst, ob sie die wichtigsten Aspekte der aktuellen Sitzung verstanden haben, andererseits stellen die Antworten der Studierenden auch für mich wertvolles Feedback dar. Am Anfang der nächsten Online-Sitzung kann ich dann potentielle Missverständnisse oder Probleme ansprechen.
Alle Texte, Präsentationen, Handouts, Videos, sowie unterschiedliche Ankündigungen erhalten die Studierenden über Blackboard. Diese Plattform wird an der Freien Universität standardmäßig verwendet. Sie ist daher, im Gegensatz zu so vielen Aspekten dieses Sommersemesters, für niemanden etwas wirklich Neues. Auf Blackboard habe ich ein Forum vorbereitet, in dem die Studierenden anonym Kritik äußern können. Ein zweites Forum habe ich eingerichtet, damit alle die Möglichkeit haben, auch über linguistische Themen zu diskutieren, die nicht unbedingt unmittelbar mit dem Thema des Seminars zusammenhängen. Die Foren werden von den Seminarteilnehmenden allerdings nicht wirklich aktiv benutzt.
Nach wie vor haben die Studierenden natürlich auch die Möglichkeit, mit mir auch direkt im Einzelgespräch zu sprechen. Dafür benutze ich mein digitales Büro auf Whereby, wo ich zwei Stunden pro Woche zu erreichen bin.
Da ich vor zwei Jahren zufällig einen E-Teaching-Lehrgang an der Freien Universität absolviert habe, war ich am Anfang des digitalen Semesters relativ motiviert und optimistisch. Allerdings kam ziemlich schnell die Ernüchterung. Ein (gutes) YouTube-Video oder einen guten Screencast zu machen hat sich für mich sehr schnell als eine überraschend große Herausforderung erwiesen. Es dauert nämlich nicht zwanzig Minuten lang, ein zwanzig Minuten langes Video zu produzieren. Da ich für das Video mehrere Versuche brauchte und das finale Schneiden und Editieren auch einige Zeit in Anspruch nimmt, hat es ca. zwei Stunden gedauert. Und die vermutlich größte Herausforderung überhaupt – die furchtbar fremd wirkende eigene Stimme aus den Lautsprechern zu hören! Glücklicherweise gewöhnt man sich schließlich an alles und so wie ich mich an die Corona-Maßnahmen gewöhnte, so habe ich mich auch an die eigene Stimme gewöhnt. Letzteres war aber auf jeden Fall schlimmer …
Anfänglich habe ich die Videos mit Loom aufgenommen, später wechselte ich zu Camtasia. Nicht etwa, weil ich mit Loom unzufrieden wäre, sondern weil uns die Universität eine Camtasia-Lizenz gekauft hat. Und mit Camtasia hat man schon ein bisschen mehr Spielraum, die Aufnahmen den Wünschen und Bedürfnissen entsprechend zu editieren.
Im Allgemeinen bin ich den unterschiedlichen digitalen Lehrformaten gegenüber eigentlich sehr aufgeschlossen. Ich glaube sogar gerne, dass die Online-Formate in vielen Fällen genau so effektiv sein können wie die Offline-Veranstaltungen. Bei Online-Seminaren gibt es für mich aber einen riesigen Störfaktor – den fehlenden direkten Kontakt mit den Studierenden. Der Augenkontakt über eine Webkamera ist nur sehr schwacher Ersatz dafür. Viele der Studierenden können oder wollen darüber hinaus ihre Kameras nicht benutzen. Sei es aus technischen oder privaten Gründen. Deswegen freue ich mich schon enorm auf die Zeit, wenn wir uns wieder in Seminarräumen direkt austauschen können. Ob es schon im kommenden Wintersemester sein wird, weiß ich noch nicht …
Trotzdem denke ich, dass wir auch in der Post-Corona-Zeit einiges beibehalten können. Was das Format der Lehrveranstaltungen betrifft, finde ich persönlich die anonymen, regelmäßigen Google-Umfragen hilfreich. Dazu finde ich auch die Screencasts sehr praktisch und kann mir durchaus vorstellen, dass ich sie auch in weiteren Semestern benutzen werde.
Neben den ganzen technischen Aspekten der Lehre habe ich aber in den letzten Wochen vor allem gelernt, wie sehr es hilft, mit den Studierenden offen zu kommunizieren und sich empathisch zu zeigen. Wenn gerade nicht alles glatt läuft und man Probleme hat, ist es gut, das auch explizit zu sagen. Ich habe daher gleich am Anfang der Vorlesungszeit ehrlich zugegeben, dass ich kein E-Teaching-Experte bin, die ganzen Plattformen erst kennenlerne und dass mir bestimmt eine Reihe von unerwarteten Fehlern unterläuft. Genau aus diesem Grund bin ich aber für jedes Feedback und für jeden Verbesserungsvorschlag dankbar. Und kurz darauf habe ich tatsächlich die ersten Rückmeldungen bekommen! Darüber hinaus fand ich es besonders in dieser außergewöhnlichen Zeit wichtig, allen Kursteilnehmenden ans Herz zu legen, dass auch sie sich an mich mit ihren Problemen wenden können – egal ob akademisch oder nicht.